Erinnerung als Mahnung für Gegenwart und Zukunft. Unter jenem Motto fand am Wochenende 4./5. Oktober 2025 das 63. Bundestreffen des Heimatkreises Hohenelbe/Riesengebirge e. V. in der Hohenelber Patenstadt Marktoberdorf im Ostallgäu statt.
Zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland
Nachdem im Vorjahr die tschechischen Gäste aufgrund des damaligen Unwetters ihre Teilnahme überwiegend absagen mussten, konnte dieses Mal erfreulicherweise eine stattliche Anzahl an Gästen aus dem Riesengebirge begrüßt werden, und zwar aus Hohenelbe, Arnau und Trautenau. Als Überraschung hatten die tschechischen Gäste Rübezahl mitgebracht, welcher Grüße aus dem Riesengebirge übermittelte.

der sich auch über Rübezahls Besuch freut, bei seinem Grußwort
(von links nach rechts: die 1. Vorsitzende Verena Schindler, Michael Eichinger,
der Ehrenvorsitzende Christian Eichmann,
Bensheims Erste Bürgermeisterin Christine Klein)
Begrüßt werden konnten auch Gäste aus Arnaus Paten- und Partnerstadt Bensheim, nämlich u. a. die Erste Bürgermeisterin Christine Klein und der neue Vorsitzende des in Bensheim ansässigen Vereins Deutsch-Tschechische Freundschaft Bensheim-Hostinné (Arnau) e. V., Klaus Brunnengräber.
In seinem Grußwort im Sitzungssaal des Marktoberdorfer Rathauses, wo das Bundestreffen startete, erinnerte Marktoberdorfs Dritter Bürgermeister Michael Eichinger daran, dass hier einst die Heimatvertriebenen und deren Nachkommen eine neue Heimat fanden und merkte an, einer jener Nachkommen spräche gerade zur Gästeschar. Seine Großmutter sei ebenfalls aus dem Sudetenland vertrieben worden.
Die 1. Vorsitzende Verena Schindler sowie der Ehrenvorsitzende Christian Eichmann gingen in ihren Ansprachen auf die verschiedenen Jubiläen, die 2025 zu begehen sind – 65 Jahre Riesengebirgsmuseum, 70 Jahre Heimatkreis Hohenelbe – sowie auf die Vertreibung der Sudetendeutschen vor 80 Jahren, ein. „Damit kein Gras drüber wächst“, es gelte für die Nachfolgegenerationen, sich für die Zukunft mit neuen Ideen einzubringen und den Heimatkreis lebendig zu halten, da die Erlebnisgeneration altersbedingt schrumpfe, so Christian Eichmann.
Verena Schindler nahm in ihrer Ansprache zudem auf den Mauerfall Bezug, konnte doch am Vortag des Bundestreffens der Tag der Deutschen Einheit begangen werden. Anschaulich schilderte sie den 9. November 1989 aus ihren eigenen Erlebnissen. Möglicherweise habe die Wiedervereinigung das Fortbestehen des Heimatkreises gesichert: Ende 1989 habe die Mitgliederzahl noch knapp 2.000 betragen und sei bis Ende 1993 auf knapp 2.500 angestiegen.
Die tschechischen Gäste wurden von Christian Eichmann überrascht, da er sie in tschechischer Sprache willkommen hieß. Er betonte, wie wichtig die Anwesenheit der Gäste aus dem Riesengebirge sei, gelte es doch, diverse Projekte gemeinsam umzusetzen und die Beziehungen zu vertiefen. Das gemeinsame Gespräch sei die beste Verständigung.

Christine Klein, Erste Bürgermeisterin von Bensheim, freute sich in ihrem Grußwort darüber, dass auch in Marktoberdorf die verlorene Heimat der Riesengebirgler sichtbar und erlebbar sei, da u. a. die Bundestreffen abwechselnd in Marktoberdorf und in Bensheim stattfänden.
Die Geschäftsführerin des Vereins der Deutsch-Tschechischen Verständigung Riesengebirge-Trautenau e. V., Štěpánka Šichová, welcher das Deutsch-Tschechische Begegnungszentrum in Trautenau betreut, stellte die Vorsitzende des Vereins, Renata Smutná, vor und berichtete über das umfangreiche Engagement vor Ort im Riesengebirge. Man spürte die Leidenschaft, mit der sie sich im Riesengebirge einsetzen.
Bei Christian Eichmann bedankte sie sich für seine sympathischen Worte in tschechischer Sprache. Zudem machte sie auf die verschiedenen Gruppen der sudetendeutschen Riesengebirgler aufmerksam: auf diejenigen, die in Westdeutschland landeten, auf diejenigen, die in Ostdeutschland landeten – und auf die diejenigen, die im Riesengebirge geblieben seien und ein meist schweres, oft unbekanntes bzw. verkanntes Schicksal gehabt hätten.



Engagement der Kinder- und Enkelgeneration
Erfreulicherweise konnten während der Mitgliederversammlung am Nachmittag im Marktoberdorfer MODEON bei der Neuwahl des Vorstands ein neuer 3. Vorsitzender und ein neues Vorstandsmitglied gewonnen werden: Roman C. Scholz aus der Enkelgeneration ist nun 3. Vorsitzender des Heimatkreises und zugleich Sprecher der Heimatortsbetreuer (s. Interview im hinteren Teil dieser Ausgabe) sowie Hartmut Jäger aus der Kindergeneration ist neuer Beisitzer. Damit ist der Vorstand des Heimatkreises für die nächsten Jahre gut aufgestellt.
Ein Programmpunkt war das Gedenken an 80 Jahre Vertreibung. Personen der Erlebnisgeneration sowie der Nachfolgegeneration kamen dabei zu Wort. Hier wurden sowohl eigene Erlebnisse von Vertriebenen geschildert als auch von Alexander Schreier, der nach dem Krieg in eine deutsche Familie hineingeboren wurde und im Riesengebirge aufwuchs. So konnten die jeweiligen Schicksale mehrdimensional gespiegelt werden.

Alexander Schreier verlas zudem folgendes Grußwort vom Bürgermeister der Stadt Špindlerův Mlýn (Spindelmühle), Martin Jandura.

In den Ansprachen zum Festabend erinnerten Verena Schindler und Christian Eichmann an die Tätigkeit der Heimatvertriebenen in Bezug auf die Gründungen von Organisationen und Museen bzw. Heimatstuben. Verena Schindler würdigte außerdem die Arbeit ihrer Vorgänger.
Zeitgemäße Theateraufführung
Gekrönt wurde der Festabend mit der Theateraufführung der Marktoberdorfer Kleinkunstbühne „mobilé“: „Domet mer nee warn vagassn san – Erinnern gegen das Vergessen“. Hier wurde dargestellt, wie eine Enkelin und eine Urenkelin sudetendeutscher Vertriebener beginnen, die Familiengeschichte zu erkunden und sich gemeinsam auf die Suche nach dem für sie abstrakten Sudetenland zu machen.

– Theaterstück „Domet mer nee warn vagassn san – Erinnern gegen das Vergessen“
Grandios umrahmt wurde der Festabend wieder vom Jugendblasorchester Marktoberdorf.



Christian Eichmann, Ehrenvorsitzender des Heimatkreises, ein kleines Präsent
Der Sonntag startete zunächst mit einer Feierstunde im Riesengebirgsmuseum anlässlich dessen 65-jährigen Bestehens. Hier erläuterte die Museumsleitung Kirsten Langenwalder im Beisein vom erneut anwesenden Rübezahl die Geschichte des Museums und hob die Tätigkeit ihrer Vorgänger hervor. Rübezahl und die Trautenauer Delegation überraschten die Gäste währenddessen mit einem Likör, der in Hermannseifen produziert wird. Kirsten Langenwalder ergänzte das Ganze mit selbstgemachten Knabbereien. Nach einem Museumsrundgang zog die Gästeschar hoch zur Marktoberdorfer Anhöhe „Buchel“, wo am Gedenkstein der Gefallenen der Weltkriege und Opfer der Vertreibung ein Kranz niedergelegt wurde. In ihrer Ansprache mahnte Verena Schindler zur Menschlichkeit, nur so könne der Teufelskreis aus Schreckensherrschaft, Krieg und Gewalt unterbrochen werden.



Durch die Teilnahme der tschechischen Gäste aus dem Riesengebirge, die sich am Sonntagnachmittag wieder auf den Heimweg machten, wurde die Verbundenheit des Heimatkreises Hohenelbe in die Tschechische Republik erneut verdeutlicht. Dies wurde auch sichtbar als das scheidende Vorstandsmitglied Ingrid Mainert und Štěpánka Šichová gemeinsam eine Rübezahlgeschichte in deutscher und tschechischer Sprache am Rübezahl-Brunnen vorlasen.
Der Abschluss des Bundestreffens war am Montag mit einem traditionsgemäßen Ausflug im Ostallgäu, an dem einige Teilnehmer teilnehmen und der wieder sehr gut ankam.
Das Bundestreffen 2026 wird am 26./27.09.2026 in Bensheim stattfinden.
Gefördert wurde das Bundestreffen durch den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds.

Fotos: Roland Erben und Kirsten Langenwalder
– Kirsten Langenwalder, Pressereferentin im Heimatkreis Hohenelbe –

