Über Fronleichnam 2025 waren Riesengebirgler der Erlebnisgeneration und Nachgeborene aus Nieder-, Mittel- und Oberlangenau sowie aus Niederhof zu einem ersten ortsübergreifenden „Kleines-Elbetal-Treffen“ zusammengekommen.
Quartier bezogen wurde in der idyllischen Pension „Slunce“ (=“Sonne“) in Dolní Dvůr (Niederhof) sowie im Hotel „Central“ in Špindlerŭv Mlýn (Spindelmühle).
Die älteste Teilnehmerin war mit 91 Jahren eine gebürtige Niederhoferin.
Die Organisatorin des Treffens Verena Schindler war zusammen mit einem Riesengebirgsnachkommen bereits die Tage zuvor im Kleinen Elbetal unterwegs und hatte sich mit Bürgermeistern, Karolína Boková vom Infocentrum Lánov (Langenau) und weiteren tschechischen Freunden getroffen.
Ein wichtiger Termin war die Besichtigung der Sanierungsarbeiten an der St. Jacobus-Kirche in Dolní Lánov (Niederlangenau), unter anderem mit dem Pfarrer Jiří Šlégr und dem neuen Heimatkreismitglied Jan Hrdlička, welcher die Betreuung von einigen „unbesetzten“ Heimatorten übernommen hat. Als Dolmetscher war bei allen wichtigen Terminen Alexander Schreier aus Dolní Lánov dabei.
Am Fronleichnamstag saß man in gemütlicher Runde im Café-Garten des romantischen Siebengiebelhauses (Dům se sedmi štíty) in Vrchlabí (Hohenelbe) zusammen.

Karolína Boková (3. von links) und Verena Schindler (5. von links)
mit Teilnehmern des Heimattreffens
Für Freitag stand eine Besichtigung des Riesengebirgsmuseums (Muzeum Krkonoš) im Augustinerkloster Hohenelbe auf dem Programm.
Olga Hajková vom Muzeum Krkonoš führte die Gruppe mit viel Sachkunde durch die im Jahr 2023 eröffnete Ausstellung, in der man das Riesengebirge hautnah mit allen Sinnen erleben kann.

Olga Hajková (links) und Verena Schindler (3. von links), mit Teilnehmern des Heimattreffens
Am Samstagvormittag trafen sich die Teilnehmer am Hohenelber Bahnhof zu einem kurzen Innehalten im Gedenken an die Vertreibungstransporte über das Sammellager Hohenelbe nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Zwischendurch wurden in Eigeninitiative die Schneekoppe, die im Jahr 2020 wieder eröffnete Peterbaude, die Hoffmannsbaude, der Baumkronenpfad und weitere Highlights besucht.
Alles in allem waren es schöne und erlebnisreiche Tage, die lange nachhallen werden und Lust auf eine Wiederholung machen.


Zum Abschluss des Heimattreffens im Kleinen Elbetal versammelte sich die Gruppe unter anderem zusammen mit Karolina Boková vom Infocentrum Lánov am Samstag, 21.06.2025, zu einem Innehalten am Hohenelber Bahnhof – darunter auch eine 91-jährige Niederhoferin, welche die Vertreibung aus ihrem Geburtsort miterlebt hat.
Verena Schindler erinnerte an die damaligen Geschehnisse:
„Wir sind heute hier, am Bahnhof von Hohenelbe (Vrchlabí), zum Gedenken an den Beginn der Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zusammengekommen.
Hier, am Hohenelber Bahnhof, fuhren die Züge in die amerikanische und die sowjetische Zone ab: im Rahmen der sogenannten organisierten Vertreibung 18 Transporte über das Sammellager Hohenelbe – der erste Transport am 18.02.1946 mit rund 1.200 Personen in die amerikanische Zone und der letzte Transport am 16.11.1946 mit 148 Personen ebenfalls in die amerikanische Zone. 16 der 18 Transportzüge hatten 40 offene oder geschlossene Waggons ohne Sitzplätze, in jedem Waggon befanden sich 30 Personen. Jeder Zug wurde von einem tschechischen Transportführer begleitet. Bei einigen Transporten gab es zusätzliche Wagen mit Kranken. Die Transporte wurden versorgt mit Lebensmitteln wie Brot, Zucker, Kaffee, Nährmitteln, Kartoffeln und Mehl.
In dem 9. Transport am 05.07.1946 in die sowjetische Zone mit 1.222 Personen waren auch meine Mutter mit ihrer Familie sowie weitere Niederlangenauer dabei. In der ehemaligen DDR durften sich die Heimatvertriebenen nicht organisieren, sie sind nicht als Gruppe anerkannt worden und die Vertriebenenproblematik wurde zunehmend tabuisiert.
Die Übergabeorte in Deutschland waren in der amerikanischen Zone Furth im Wald (Bayern) und in der sowjetischen Zone das Radiumbad Brambach und Bad Schandau (Sachsen).
In Bad Brambach erinnert eine Gedenktafel in Deutsch und Tschechisch an die Ankunft von sechs Vertreibungstransporten aus dem Sammellager Hohenelbe. Sie wurde am 11.06.2006 durch ihren Initiator, den gebürtigen Niederhofer Dr. Erich Kraus, im Beisein von rund 80 Gästen feierlich enthüllt.
Auf der Tafel am Bahnhofsgebäude in Hohenelbe (Vrchlabi) steht in Tschechisch, Englisch, Deutsch, Polnisch und Französisch unter anderem:
‚Im Rahmen der sogenannten ‚wilden‘ und ‚organisierten‘ Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei fuhren ab diesem Bahnhof von Mitte Mai 1945 bis Ende November 1946 Transporte der Einwohner deutscher Nationalität aus der Hohenelber Region nach Deutschland ab. Entsprechend den verfügbaren Quellen verließen im Rahmen dieser Transporte 45.934 Männer, Frauen und Kinder ihre bisherige Heimat.‘
Ein besonders schweres Schicksal hatten die Menschen zu erleiden, die unmittelbar nach dem Kriegsende 1945 über die Grenze nach Deutschland gebracht und dort sich selbst überlassen wurden – heimatlos, schutzlos, wehrlos.
Nur fünf Jahre später, am 5. August 1950, wurde die ‚Charta der deutschen Heimatvertriebenen‘ proklamiert, in welcher die Sudetendeutschen ausdrücklich und bedingungslos auf Rache und Vergeltung verzichteten – welch beeindruckendes Zeugnis menschlicher Größe und Lernfähigkeit – und festgestellt wurde, dass das Recht auf Heimat ein heiliges Menschenrecht, ein von Gott geschenktes Grundrecht der Menschheit, darstellt.
In der Charta heißt es zum Recht auf Heimat:
‚Wir haben unsere Heimat verloren. Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat zu trennen bedeutet, ihn im Geiste zu töten. Wir haben dieses Schicksal erlitten und erlebt.‘
Wir können uns glücklich schätzen, heute in Frieden und Freiheit zu leben, sollten uns aber stets bewusst sein, dass dieses kostbare Gut nicht selbstverständlich ist.“
Verena Schindler
HOB von Niederlangenau und Mittellangenau
(redaktionell bearbeitet)
Fotos: Verena Schindler (3) und Kirsten Langenwalder (1)
