Trachten gab es im Riesengebirge bis Mitte der 1930er Jahre aufgrund der zunehmenden Industrialisierung kaum mehr. Das Althergebrachte wurde abgelehnt.
Der folgende Text, der von der in Spindelmühle geborenen Brunhilde Sanka (†) stammt und welcher der von ihr beauftragten Internetseite mit freundlicher Genehmigung entnommen ist, bietet einen Überblick zur jüngeren Geschichte der Riesengebirgstracht. Auf jener Internetseite sieht man Brundhilde Sanka sowie weitere Personen in Riesengebirgstracht.
Die hier auf unserer Internetseite zu sehenden Fotos zeigen die Trachtenaustellung des Riesengebirgsmuseums in Marktoberdorf.
Die im Text erwähnten Ausgaben der Riesengebirgszeitung – „Riesengebirgsheimat“ – sind online zu finden:
Jahrgänge Januar 1950 bis Dezember 1970; Listeneintrag Nr. 13
Die Riesengebirgstracht, beschrieben von Brunhilde Sanka
Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1933 war diese Kleidung ganz aus den Schränken verschwunden. Durch die Industrialisierung der Webereien entstanden neue Stoffe und eine neue Mode.
Erst zur Vierhundertjahrfeier der freien Bergstadt Hohenelbe öffnete man 1933 wieder die Truhen am Dachboden, und auf Bildern vom Festzug, die Dr. Karl Schneider vom Riesengebirgsverein damals erstellte, sah man schöne alte Trachten des 18. Jahrhunderts.
Nun begann die Arbeit von Dr. phil. Anna Sturm. Sie fuhr mit ihrem Gatten, der praktischer Arzt war, nachmittags, wenn er Krankenbesuche machte, aufs Land und nutzte diese Zeit der Krankenbesuche zu Gesprächen in Bauernhäusern.
Viel Arbeit gab es nun für unsere Forscherin und 1936 zum großen Fest des „Bund der Deutschen“ waren die alten Trachten restauriert; vor allem sah man schöne Gold- und Silberhauben, man sah viele junge Mädchen mit der erneuerten Leibel-Tracht. Da kommt es auf das Material an, in festlicher Form oder als Alltagstracht; letztere sollte heute in keinem Kleiderschrank fehlen.
Nach der Vertreibung schrieb Dr. phil. Anna Sturm in der Riesengebirgszeitung, Heft 3, 4, 5, 6 und 7, Jahrgang 1952, ihr Wissen um die Riesengebirgstracht nieder.
So bildete sich 1957 in Marktoberdorf, der Patenstadt von Hohenelbe, eine Gruppe von Frauen, die nach Anleitung von Dr. phil. Sturm und der ersten auftauchenden alten Tracht von 1850 und 1936 sich diese Tracht nähen ließen. Auch Hauben wurden gestickt. Die Erfahrung ist, dass selbst die Alt-Marktoberdorfer von unserer Tracht begeistert waren und es sogar noch heute sind. Die Steubenparade 1987 in Amerika war Anlass, nun auch die Männertracht zu erstellen.
„Jeder, der sich eine Tracht anschaffen will, muss sich bewusst sein, dass er damit die Pflicht übernimmt, die Tracht wirklich zu tragen und sie nicht nur als Maskerade oder bei Maskenbällen zu benutzen.
Es bleibt jedem Mädchen und jeder Frau vorbehalten, ihrem Kleid eine persönliche Note zu geben, nur an den Grundzügen muss festgehalten werden, um unsere Tracht nicht mit der anderer Stämme zu verwischen.
Wie ihr die Tracht pflegt und in Ehren haltet, so müsst ihr in gleichem Maße das Brauchtum der alten Heimat in euren Familien lebendig erhalten und ganz besonders die Heimatsprache lehren.“
Soweit Dr. phil. Anna Sturm im Jahre 1952. Ihr Wissen und allgemeines Wissenswertes über die Riesengebirgstracht kann man im Nordböhmischen Trachtenbüchel, 2. Folge Riesengebirge, 1985 herausgegeben, nachlesen.
Die Fotos zeigen die Trachtenausstellung im Riesengebirgsmuseum Marktoberdorf.