Hohenelbe (Vrchlabí)

Hohenelbe, heute Vrchlabí

Das sehr hübsche muntere Städtchen Hohenelbe – in tschechischer Sprache „Vrchlabí“ – an der oberen Elbe lädt stets zum Verweilen ein.

Die Geschichte der freien Bergstadt Hohenelbe beginnt mit deren Stadtgründung im Jahre 1533, Anfänge einer Siedlung gehen allerdings mindestens in das 13. Jahrhundert zurück. Zunächst wird die Siedlung von deutschen Bergleuten „Gießdorf“ genannt.

Hohenelbe im 15. und 16. Jahrhundert

Christoph von Gendorf
Quelle: Heimat Hohenelbe

Christoph von Gendorf, geboren 1497 in Kärnten, erhält 1533 von Ferdinand I., König von Böhmen, Kroatien und Ungarn, die Bestätigung, an der Stelle des Dorfes „Gießdorf“ eine neue Stadt aufzubauen. Er nennt sie Hohenelbe, die Stadt an der obersten Elbe, „dort, wo die Elbe aus dem engen Gebirgstal zum ersten Mal in eine breite Niederung eintritt“ (Prof. Karl Schneider in der Festschrift zur 400-Jahrfeier).

Stadtwappen Hohenelbe

Mit der Erhebung zur Stadt bekommt Hohenelbe auch sein Wappen:
ein Schild, im oberen Teil zwei grüne Tannen auf weißem Feld, im unteren Teil zwei gekreuzte Berghämmer auf rotem Feld

Die neue Stadt soll Ausgangspunkt für wirtschaftliches und kulturelles Leben werden. In seiner Stadt wird 1546 ein neues Schloss und eine neue Kirche gebaut.
1550 zählt Hohenelbe 220 Einwohner. Auf Handel und Gewerbe wird großer Wert gelegt. Leinweber und Tuchmacher exportieren schon zur damaligen Zeit in große Handelshäuser nach Nürnberg.
1591 kann sich die Stadt ein Rathaus gegenüber der Kirche leisten.   

Bevölkerungsentwicklung vom 17. bis 19. Jahrhundert

Dank der Arbeit und der Tatkraft der Menschen nimmt Hohenelbe im Laufe der Zeit an Bewohnern zu. Kriege sind um die Stadt nicht geführt worden, und dank einer strengen Feuerordnung ist die Stadt auch nie durch Feuer zerstört worden.
Im 17. Jahrhundert erreicht Hohenelbe etwa 1.000 Einwohner, 1817 werden 3.056 Einwohner gezählt, 1910 sind es 7.047, und 1930 ergibt die Zählung 6.984 Einwohner, davon sind 1.208 tschechische Mitbürger.

Das „Sieben-Giebel-Haus“ aus dem 17. Jahrhundert,
hier im Jahr 1905
(weiter unten näher beschrieben, s. „Sehenswürdigkeiten“)

Industrialisierung und Anschluss an das Eisenbahnnetz

Hohenelbe, Anfang des 20. Jahrhunderts

Besonders im 19. Jahrhundert – infolge der Industrialisierung – nimmt Hohenelbe einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Taschentuchindustrie bringt der Stadt Weltruf ein.
Außerdem besitzt Hohenelbe zu jener Zeit Industrien wie:
die Flachsgarnspinnerei Jerie, mehrere Baumwollwebereien, Garn- und Stückbleichen, die Verbandstoff-Fabrik Kleining, das Karosserie-Werk Petera, drei Brettsägen, das Marmorwerk Kratzer, die Kalkwerke Renner, die Dampfziegelei Ehinger, ein Kabelwerk, die Papierhülsenfabrik Tuba, die Kartonagen-Fabrik Erben und eine Brauerei.
1871 wird Hohenelbe durch eine Abzweigung der Österreichischen Nordwestbahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen.
Das größte Ereignis in der Geschichte der Stadt ist 1896 die erste Gewerbeausstellung Nordostböhmens mit bis zu 255 Ausstellern. Die Besucherzahl dürfte 50.000 sehr nahegekommen sein, so heißt es in der Heimatkunde des Hohenelber Bezirkes.

Skisportstadt Hohenelbe

Auch der Skisport wird in Hohenelbe großgeschrieben:
1893 wird die Sektion Hohenelbe des Österreichischen Skivereins mit dem 1. Vorsitzenden Guido Rotter gegründet.
Guido Rotter ist ein großer Förderer des Skisports. Ihm ist es zu verdanken, dass Hohenelbe als Wiege des Skisports in Mitteleuropa angesehen wird. Guido Rotter ist auch in anderer Hinsicht sehr engagiert. 1884 gründet er in Hohenelbe die erste Herberge für Studenten und Schüler höherer Schulen. Rotter gilt als Vater der Jugendherbergen.

Kunststadt Hohenelbe

Die Kunst ist ebenso nicht zu kurz gekommen. Schon immer finden Hohenelber das Theaterspiel attraktiv. 1836 wird ein Verein zur Pflege der Schauspielkunst organisiert und Willy Jerie gründet im Jahr 1899 die „Liebhaberbühne“.
Klassiker wie „Wilhelm Tell“ und „Faust 1. Teil“ werden aufgeführt. Manchmal gastieren in Hohenelbe sogar Berufsschauspieler, wie beispielsweise Adele Sandrock.

Hohenelbe 1910
Blick auf die Dekanalkirche St. Laurentius (Děkanský kostel)
sowie rechts auf die Historischen Häuser (historické domky)
,
im Hintergrund der Heidelberg (Žalý)

Die Zeit nach Gründung der Tschechoslowakischen Republik

Am 28. Oktober 1918 – nach Ende des Ersten Weltkriegs und nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie – wird die 1. Tschechoslowakische Republik, oft „Erste Republik“ genannt, ausgerufen.
Mit dem Wachstum der Wirtschaft in der Stadt ist es jetzt vorbei. Die Bewahrung deutscher Kultur und Identität wird in dieser Zeit sehr erschwert.

Hohenelbe 1918, der Rathausplatz

Die Zeit nach dem Anschluss des Sudetenlands an das Deutsche Reich

Am 29. September 1938 wird Hohenelbe durch das Münchner Abkommen wieder deutsch. Das gesamte Siedlungsgebiet der Deutschen in Böhmen und Mähren wird dem Deutschen Reich angeschlossen. Der Fremdenverkehr aus dem „Altreich“ steigt gewaltig an. Der ersten Erleichterung und Freude über den Anschluss folgt sehr bald eine große Sorge.

Am 15. März 1939 marschiert die deutsche Wehrmacht im Protektorat Böhmen und Mähren ein, und am 1. September beginnt der Zweite Weltkrieg.
Die meisten Männer in Hohenelbe werden zum Kriegsdienst eingezogen.

Sehr rasch wird die Industrie-Produktion auf den Bedarf der deutschen Wehrmacht umgestellt.
In Oberhohenelbe entsteht ein Konzentrationslager für Frauen, und in Hohenelbe und Umgebung werden Arbeitslager für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter gebaut.

Kriegsende und Vertreibung der sudetendeutschen Bevölkerung

Am 8. Mai 1945 ist der 2. Weltkrieg zu Ende, die deutsche Wehrmacht kapituliert bedingungslos, und das Dritte Reich bricht zusammen.
Kurz darauf übernehmen die tschechischen Behörden in Hohenelbe das Landrats- und Bürgermeisteramt. Die Stadt heißt jetzt wieder „Vrchlabí“, die direkte Übersetzung von Hohenelbe ins Tschechische.

Kaum jemand unter den Deutschen in Hohenelbe kann sich über das Kriegsende, über den Frieden, freuen. Sie sind nun wehrlos dem Hass und der Rache der Tschechen und besonders der tschechischen Partisanen ausgeliefert. Deutsche müssen eine Armbinde mit einem „N“ für Němec (Deutscher) tragen. Kein Gesetz schützt sie.
Es gibt aber auch Tschechen, die dies alles nicht gutheißen, die nicht wegsehen und Deutschen helfen, so gut sie können.

Nachdem die Alliierten (USA, Großbritannien und Sowjetunion) auf der Konferenz von Jalta und später nach der Kapitulation des Deutschen Reiches im Potsdamer Abkommen der Ausweisung bzw. der Vertreibung der Deutschen aus der neu gegründeten Tschechoslowakei zugestimmt haben, müssen – aufgrund der „Beneš-Dekrete“ – knapp 3 Millionen Sudetendeutsche und somit auch nahezu alle Deutschen aus Hohenelbe in der Zeit von Juni 1945 bis November 1946 ihre Heimat verlassen. Mitnehmen dürfen sie nur das Notwendigste. 30 bzw. 50 kg sind für jeden erlaubt.
In Transporten in offenen Güterwägen (1945) und in geschlossenen Güterwägen (1946) gelangen 52,6 Prozent der Hohenelber in die Amerikanische Zone von Deutschland, vorrangig nach Bayern und Hessen, 40,7 Prozent in die Russische Zone, und da vor allem nach Sachsen-Anhalt und Thüringen. 

Foto: Riesengebirgsheimat August 1965
(Dateiseite 20), beschrieben ist dort
die sog. „wilde Vertreibung“ im Jahr 1945.

 

In die leer gewordenen Häuser in Hohenelbe ziehen nun Tschechen aus der näheren Umgebung ein, oder kommen sogar aus der ganzen damaligen Tschechoslowakei. Nicht alle Häuser werden bezogen, und so wird so manches Haus auch abgerissen.

Jegliche wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Stadt nach dem Krieg kommt mit Beginn des kommunistischen Regimes im Februar 1948 für eine lange Zeit zum Stillstand.

Einen Artikel, in dem sich der im Jahr 1962 in Hohenelbe geborene Martin Bartoš unter dem Titel „Abschub der Deutschen 1945 – 1946“ mit der jüngeren Geschichte seiner Stadt auseinandersetzt, findet sich hier.

Hohenelbe 1947

Die Zeit nach der „Samtenen Revolution“ im Jahre 1989

Erst nach 1989, nach dem Fall des totalitären Systems – nach der „Samtenen Revolution“ – erlebt die Stadt wieder einen großen Aufschwung.
Besonders nach dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik 2004 werden die Häuser der Stadt nach und nach liebevoll restauriert und renoviert.
Die Dekanalkirche St. Laurentius bekommt 2002 drei neue Glocken. 1942 im Krieg waren die alten requiriert worden.
Die Finanzierung erfolgt durch Spenden. Auch der Heimatkreis Hohenelbe ist unter den Spendern.
Straßen werden instand gesetzt und erneuert, Gehwege und Plätze werden neu gestaltet und gepflastert.

Das Škoda-Werk in Hohenelbe, das 1946 die Nachfolge der Firma „Ig. Th. Petera & Söhne“ angetreten hat, wird in den 90er Jahren Tochter der Volkswagen AG.

Hohenelbe (Vrchlabí) heute

Die Stadt zählt 2023 insgesamt 12.289 Einwohner.
Oberhohenelbe (Hořejši Vrchlabí) und Harta (Podhůří), die vor 1945 selbständig waren, sind mittlerweile Ortsteile von Vrchlabí.

Tourismus

Für Hohenelbe, dem „Tor zum Riesengebirge“, ist der Tourismus von großer Bedeutung.
Die Stadt ist im Sommer ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen auf die Bergkämme und für Radtouren mit dem Mountainbike.
Im Winter bietet das Skizentrum westlich der Stadt „Knezicky vrch“ leichte und mittelschwere Pisten zum Skifahren.
Langlauffreunde finden Loipen im Weißbach-Gebiet (Vejsplachy).

Das Riesengebirgsmuseum, das in verschiedenen Gebäuden untergebracht ist, lädt zu einem Besuch ein. Man kann dort umfangreiche Sammlungen an Urkunden, Büchern, Gemälden und Grafiken sowie Skulpturen u. a. des Bildhauers Emil Schwantner besichtigen und erfährt einiges zu Biologie, Geologie und zur Heimatkunde des Riesengebirges.

Industrie und Wirtschaft

Viele Arbeitsplätze bieten Firmen wie Škoda, Kablo, AEG und OCZ.
Zahlreiche Geschäfte und Supermärkte machen Hohenelbe außerdem zur Einkaufsstadt für die Einwohner sowie der umliegenden Ortschaften.
Die Stadt besitzt neben dem Bahnhof auch einen großen Busbahnhof.
Die Verwaltung des Nationalparks Riesengebirge (KRNAP) hat hier ihren Hauptsitz.

Freizeit

Seit Dezember 2022 besitzt Hohenelbe ein Erlebnis-Hallenbad, das sog. Aquacentrum Vrchlabí im Naturpark Weißbach (Vejsplachy).

Auch kulturell ist Hohenelbe eine lebendige Stadt. Konzerte in der Klosterkirche, Museen, Ausstellungen, Galerien und Festivitäten erfreuen die Einheimischen und die Gäste.


Viele Sehenswürdigkeiten gibt es zu besichtigen. Sie erinnern an die deutsche Geschichte der Stadt, wie zum Beispiel:

  • Das Schloss (Zámek),1545-1546 unter dem Stadtgründer Christoph von Gendorf erbaut.
    Es gehört zu den frühesten Renaissance-Bauten in Böhmen. 1913 hat es die heutigen Turmhauben erhalten.
    1945 ist es verstaatlicht worden und beherbergt heute die Stadtverwaltung.





  • Die Dekanalkirche St. Laurentius (Děkanský kostel) wird 1886-1889 im neugotischen Stil anstelle der abgerissenen gotischen Kirche aus dem 14. Jahrhundert erbaut. Sie sieht bis heute fast unverändert aus.
Augustinerkloster
  • Das Augustiner Kloster (Augustiánský klášter) mit der Klosterkirche, ein Barockbau mit klassizistischen Elementen, ist 1705 von Graf Maximilian von Morzin gegründet worden.
    Im Wohngebäude des Klosters sind naturwissenschaftliche und historische Ausstellungen des Riesengebirgsmuseums untergebracht. Die Klosterkirche wird heute als Trausaal und wegen ihrer hervorragenden Akustik auch für Konzerte genutzt.

  • Der Städtische Friedhof (Cmentarz komunalny) wird 1805 von der alten Dekanalkirche an den östlichen Hang oberhalb des Klosters verlegt.
    Im Mittelpunkt steht ein gusseisernes Kreuz aus dem Jahr 1880. Kulturhistorisch wertvolle Grabdenkmäler früherer Hohenelber Persönlichkeiten zeugen von der langen industriellen und kulturellen Geschichte der Stadt vor 1945.

Über den historischen Teil des Friedhofs gibt es mittlerweile einen Friedhofsführer
(jeweils in deutscher, tschechischer, englischer sowie polnischer Sprache),
welcher über die historischen Gräber informiert.
Erhältlich u. a. im Informationszentrum im Rathaus.


  • Die Historischen Häuser (historické domky) gehören zu den ältesten Gebäuden der Stadt.
    Sie sind typisch für die Architektur im Riesengebirge.
    Sie sind von der Nationalpark-Verwaltung KRNAP vor dem Verfall gerettet worden und beherbergen heute ein Informationszentrum und Ausstellungen des Riesengebirgsmuseums .
  • Das Neue Rathaus (Radnice Vrchlabí) wird 1732 von Joh. Zehak im barocken Stil erbaut.
    Im Erdgeschoss befindet sich das Regionale Informationszentrum.
  • Das Sieben-Giebel-Haus (Dům se sedmi štíty) ist das älteste Haus in der Stadt.
    Der interessanteste Raum in diesem Haus ist die als „Museum“ ausgewiesene Stube unter dem Dach, deren Wände und Decken mit bunten Bändern mit Pflanzenmotiven und geometrischen Figuren bemalt sind.
    Im Erdgeschoß lädt ein gemütliches Café zu Kaffee und Kuchen sowie diversen Snacks ein.
Die reich bemalte Stube unter dem Dach des
„Sieben-Giebel-Hauses“
  • Das Gymnasium (Krkonošské gymnázium) wird 1909 als das neue Kaiser Franz Josef I. Jubiläums-Reform-Realgymnasium gegründet.
  • Das Grüne Schlösschen (zelený Zámeček) wird von Willibald Jerie 1854 als Flachsgarnspinnerei erbaut.
    Hierfür lässt er die seit 200 Jahren bestehende Büttenpapierfabrik von Gabriel Ettel nieder reißen.
    Heute befindet sich hier die Galerie Morzin.

Literatur:
Miloslav Bartoš:      Vrchlabí auf alten Ansichtskarten
Wolfgang Fink:     Heimat Hohenelbe, online in der SLUB Dresden
Franz Jos. Jirasek: Heimatkunde des Hohenelber Bezirkes                                             
Josef Renner (Herausgeber):Heimatland Riesengebirge
Josef Renner (Herausgeber): Hohenelber Heimatbüchlein
Prof. Karl Schneider:   Festschrift herausgegeben zur Vierhundertjahrfeier der freien Bergstadt Hohenelbe 1533 – 1933

Für die hier zu lesenden ausführlichen Informationen sowie Fotos zu Hohenelbe sei Ingrid Mainert (geb. Waengler aus Harta), Heimatortsbetreuerin u. a. von Hohenelbe und Harta sowie Vorstandsmitglied des Heimatkreises Hohenelbe e. V., gedankt.


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